Montag, 15. Dezember 2025 von PH
DJG: Austausch über Herausforderungen und Perspektiven der Justiz
Jahresgespräch mit Justizministerin Marion Gentges
Zum turnusmäßigen Jahresgespräch kam die DJG Baden-Württemberg am 24. November 2025 mit dem Justizministerium zusammen. Justizministerin Marion Gentges nahm gemeinsam mit Frau Dr. Linkenheil und Herrn Höhn am Gespräch teil. Die DJG-BW war durch ihren Landesvorsitzenden Dr. Pierre Holzwarth sowie die stellvertretenden Landesvorsitzenden Diana-Isabel Bauer, Regina Jank und Renate Conrath vertreten.
Das Gespräch verlief in einer offenen, sachlichen und angenehmen Atmosphäre. Frau Ministerin Gentges nahm sich viel Zeit für den Austausch und ging ausführlich auf die vorab übersandten Fragen und Themen aus sämtlichen von uns vertretenen Fachbereichen ein. Gerade diese Vorbereitung unterstreicht den Charakter eines solchen Jahresgesprächs: Es geht nicht um spontane Wortmeldungen, sondern um strukturierte Interessensvertretung auf Augenhöhe.
Wertschätzung als zentrales Querschnittsthema
Übergeordnetes Kernthema des Gesprächs war die Frage der Wertschätzung und des Umgangs miteinander in der Justiz. Die DJG-BW machte deutlich, dass die Justiz in diesem Bereich erheblich leidet und dadurch zunehmend an Attraktivität verliert. Sprache ist dabei kein Nebenaspekt. Begriffe wie „Servicebereich“ oder „Unterstützungsbereich“ werden dem tatsächlichen Beitrag vieler Kolleginnen und Kollegen nicht gerecht. Worte prägen Wahrnehmung – und Wahrnehmung prägt Motivation, Identifikation und letztlich auch die Bindung an den Arbeitgeber. Frau Ministerin sagte zu, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Auch wenn es auf den ersten Blick „nur“ um Worte geht, war Einigkeit darüber spürbar, dass diese Worte Wirkung entfalten.
Gerichtsvollzieherdienst: Attraktivität, Digitalisierung und Qualifizierung
Im Gerichtsvollzieherbereich wurde insbesondere auf die vorab übermittelte Umfrage Bezug genommen, die bereits inhaltlich ausgewertet worden war. Ein zentrales Ergebnis: der erhebliche Fortbildungs- und Schulungsbedarf. Dies betrifft sowohl fachliche Weiterentwicklung als auch den Umgang mit neuen digitalen Verfahren. Intensiv diskutiert wurden zudem die Attraktivität des Berufsbildes und die Frage, wie diese kurz- und langfristig gesteigert und gesichert werden kann. Die DJG-BW machte deutlich, dass Attraktivität nicht alleine eine Frage der Besoldung, sondern auch von Arbeitsbedingungen, Anerkennung und Entwicklungsperspektiven abhängt.
Ein weiterer Punkt betraf die Geschäftsprüfungen. Wir regten an, diese künftig stärker beratend und unterstützend auszugestalten, damit sie weniger als reines Kontrollinstrument wahrgenommen werden. Ziel müsse sein, Qualität zu sichern und zugleich Motivation zu erhalten. Auch die Einbindung des Gerichtsvollzieherdienstes in den digitalen Transformationsprozess der Justiz wurde thematisiert. Schließlich wurde die Nachqualifizierung vom mittleren in den gehobenen Dienst angesprochen. Die DJG-BW verwies darauf, dass andere Ressorts bereits niederschwellige Zugänge geschaffen haben – insbesondere dann, wenn Tätigkeiten faktisch identisch bleiben. Hier wurden entsprechende Hinweise übermittelt.
Tarifbeschäftigte und mittlerer Dienst: Stabilität und Qualität sichern
Für den Tarifbereich und den mittleren Dienst stand die praktische Umsetzung der E-Akte im Fokus. Viele Kolleginnen und Kollegen benötigen auch nach der Einweisung weitere Nachbetreuung und Schulungen. Seitens des Ministeriums wurde dazu ermutigt, den Bedarf vor Ort klar zu kommunizieren; Schulungen und Nachbetreuungen werden ermöglicht. Darüber hinaus wurde die personelle und organisatorische Stabilität der Geschäftsstellen und Serviceeinheiten bei Gerichten und Staatsanwaltschaften angesprochen. Ein besonderes Augenmerk legte die DJG-BW auch auf nachhaltige Qualifizierungsprogramme für Seiteneinsteiger. Drei Jahre Ausbildung lassen sich nicht in wenigen Wochen ersetzen – hier leider sonst nicht nur die Qualität, sondern auch das justizinterne Ansehen der Tätigkeit.
Deutlich benannt wurden zudem die Belastungen der Digitalisierung. Moderne Technik ersetzt keine gesunden, motivierten Menschen. Digitalisierung braucht Zeit, Begleitung und realistische Erwartungen. Abschließend wurde die Besoldungsstruktur im mittleren Dienst erörtert, einschließlich der Auswirkungen des 4-Säulen-Modells auf die Amtszulage.
Justizwachtmeisterdienst: Sicherheit und Ausbildung im Fokus
Im Bereich des Justizwachtmeisterdienstes wurde die Frage nach Tasern oder Schusswaffen klar beantwortet. Das Ministerium lehnt dies derzeit vollständig ab. Zugleich wurde nochmals deutlich gemacht, dass Justizwachtmeister mit Pfefferspray und Schlagstock allein im Ernstfall weder Gerichtsgebäude noch die darin befindlichen Menschen schützen können, wenn Angreifer von außen kommen – insbesondere auch vor dem Hintergrund der bestehenden Personalknappheit. Die DJG-BW machte deutlich, dass zumindest eine vertiefte erste Auseinandersetzung mit dem Einsatz von Tasern notwendig erscheint. Positiv aufgenommen wurde unser Hinweis auf dringend zu verbessernde Kommunikation zwischen Justizvollzugsanstalten und Justizwachtmeistern, insbesondere bei Vorführungen von Gefangenen mit Gesundheitsrisiken. Hier sagte das Ministerium volle Unterstützung zu.
Ebenfalls thematisiert wurde die Modernisierung und Erweiterung der Ausbildung. Die Anforderungen an den Justizwachtmeisterdienst haben sich erheblich verändert. Eine zeitgemäße, „echte“ Ausbildung im mittleren Dienst erscheint aus unserer Sicht überfällig. Frau Ministerin betonte, man bemühe sich, für nicht sicherheitsrelevante Tätigkeiten andere Kräfte einzusetzen, damit sich Justizwachtmeister stärker auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. Eine weitere Kommunikation dazu wurde in Aussicht gestellt.
Warum Jahresgespräche wichtig sind
Solche Jahresgespräche sind kein Selbstzweck. Sie sind Ausdruck gelebter Demokratie innerhalb der Justiz. Die DJG-BW ist kritisch – nicht, um zu provozieren oder zu ärgern, sondern weil wir gewählt wurden, um Missstände zu benennen, Mängel aufzuzeigen und Verbesserungen einzufordern. Interessensvertretung ohne kritische Begleitung wäre verantwortungslos. Gleichzeitig eint uns ein Wunsch: eines Tages in einem Jahresgespräch zusammensitzen zu können und über eine attraktive, wertschätzende und zukunftsfeste Justiz zu sprechen, ohne immer wieder auf Defizite und Versäumnisse hinweisen zu müssen. Ob dies jemals Realität wird, ist offen. Sicher ist jedoch: Ohne ehrliche Gespräche, klare Worte und gegenseitigen Respekt wird es nicht gelingen.
Die DJG-BW wird diesen Weg weitergehen – konstruktiv, kritisch und mit dem festen Ziel, die Arbeitsbedingungen und die Wertschätzung aller in der Justiz tätigen Menschen nachhaltig zu verbessern.
