Dienstag, 2. Dezember 2025 von PH
DJG: Ein Beitrag über Haltung, Wirkung und Verantwortung
Gewerkschaftsarbeit – Überzeugung statt Vergütung
In persönlichen Gesprächen, bei Sitzungen, Fortbildungen oder im kollegialen Austausch taucht sie immer wieder auf: die Frage nach dem Warum. Warum engagiert man sich gewerkschaftlich? Warum investiert man Zeit, Energie und Herzblut – oft nach Feierabend, am Wochenende, im Urlaub oder zwischen beruflichen Anforderungen – ohne sichtbaren äußeren Gewinn? Und vor allem: Was erhält man dafür?
Diese Fragen sind legitim. Sie sind Teil innergewerkschaftlicher Kultur, Ausdruck von Transparenzbedürfnis und Wirtschaftlichkeitsdenken. Doch sie greifen zu kurz, wenn sie sich nur auf eine Gegenleistung beziehen. Denn Gewerkschaftsarbeit folgt anderen Maßstäben. Sie ist nicht primär ein Amt, sondern eine Aufgabe. Keine Position, sondern eine Haltung.
Gewerkschaftsarbeit ist kein Privileg, sondern Verantwortung
Wer Gewerkschaftsarbeit ernsthaft betreibt, vertritt nicht eine Meinung, sondern Interessen. Menschen. Berufsgruppen. Realitäten. Es geht darum, unterschiedliche Perspektiven zusammenzuführen, zu ordnen, zu bewerten und daraus tragfähige Positionen zu entwickeln. Es geht darum, Wahrnehmung zu schaffen – politisch, beruflich, gesellschaftlich. Gewerkschaftsarbeit bedeutet, hinzuhören. Aber auch, auszusprechen. Zu verstehen. Aber auch zu widersprechen. Verbindungen herzustellen. Und Grenzen aufzuzeigen. Und vor allem bedeutet sie: Wirkung mit Verantwortung zu verbinden. Die meisten Prozesse laufen im Hintergrund. Ohne Mikrofon, ohne Kameras, ohne Anerkennung – aber mit spürbaren Ergebnissen für Beschäftigte in der Justiz.
Wirkung entsteht dort, wo sich Menschen einbringen
Unsere Mitgliederzeitung, die jeden Monat erscheint, unsere Positionspapiere, die Fachberatung, die Gespräche mit Politikern und Ministerien, die rechtlichen Stellungnahmen, die Umfragen in den Fachbereichen, die fachlichen Veranstaltungen, unsere Präsenz auf Fachtagungen und der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen – all das entsteht nicht zufällig. Es entsteht, weil Menschen sich einbringen. Nicht, weil sie gefragt haben, was sie dafür bekommen. Sondern, weil sie gefragt haben: Was kann ich bewirken?
Mitgliedsbeiträge sind kein Budget – sie sind ein Vertrauensvorschuss
Mitgliedsbeiträge sind kein abstrakter Haushaltsposten, sie sind Ausdruck von Vertrauen. Sie sind Zweckbindung, nicht Zufluss. Und sie verpflichten zur verantwortungsvollen Verwendung. Deshalb fließen sie bei uns nicht in persönliche Vergütungen, sondern in Information, Beratung, Schulungen, Rechtsschutz, Sichtbarkeit, Interessenvertretung und die professionelle Vorbereitung von Gesprächen mit Ministerien, Justizverwaltung und Politik. Aber der eigentliche Mehrwert entsteht dort, wo Mitglieder merken: Wir werden gehört. Man setzt sich für uns ein. Unsere Realität findet ihren Weg in Entscheidungen. Darf man fragen, was Gewerkschaftsvertreter erhalten? Ja. Man soll es sogar. Deshalb ist es legitim, diese Fragen zu stellen: Was entsteht mit meinem Beitrag? Wer erhält Aufwandspauschalen – und in welcher Höhe? Wie wird über Ausgaben entschieden – und mit welchem Ziel? Und wofür steht die Gewerkschaft, der ich mich anschließe? Bei uns im Vorstand geht es nicht um Vergütung, sondern um Verantwortung.
Interessenvertretung – kein Ort für Bequemlichkeit
Gewerkschaften sind keine Verlängerung von Ministerien und auch keine Bühne für gefällige Loyalität. Sie sollen nicht bequem sein, sondern relevant. Wer Interessen vertritt, macht sich nicht überall beliebt. Beifall ist nicht das Ziel. Wirkung ist es.
Gewerkschaftsarbeit kann man nicht bezahlen.
Aber man kann sie verstehen. Man kann sie unterstützen. Und man kann sie leben. Das wahre Honorar zeigt sich nicht auf einem Kontoauszug, sondern dann, wenn Kolleginnen und Kollegen sagen: Gut, dass ihr euch kümmert. Gut, dass ihr zuhört. Gut, dass ihr etwas bewegt. Gewerkschaftsarbeit ist nicht immer sichtbar. Aber sie ist spürbar. Und genau deshalb lohnt sie sich.
Dr. Pierre Holzwarth
Landesvorsitzender
Deutsche Justiz-Gewerkschaft
Landesverband Baden-Württemberg
