Anerkennung

anerkennung_ist_wichtig
RR Samstag, 31. Mai 2025 von RR

DJG: Wie mangelnde Wertschätzung Leistungsfähigkeit untergräbt

Wenn Anerkennung im öffentlichen Dienst fehlt

In Zeiten wachsender Herausforderungen für den öffentlichen Dienst rückt ein Thema zunehmend in den Mittelpunkt der Debatte, das lange Zeit unterschätzt wurde: die Bedeutung von Wertschätzung im Berufsalltag. Denn trotz steigender Anforderungen, wachsender Verantwortung und zunehmender Arbeitsverdichtung fühlen sich viele Beschäftigte in Verwaltungen, Gerichten, Staatsanwaltschaften oder im Strafvollzug nicht mehr gesehen, nicht gehört und vor allem nicht mehr anerkannt.

Dieser Mangel an Wertschätzung hat nicht nur Auswirkungen auf das individuelle Wohlbefinden, sondern auch auf die Leistungsfähigkeit ganzer Organisationseinheiten. Wer täglich Dienst für das Gemeinwohl leistet und dabei das Gefühl hat, als Person und in seinen Leistungen nicht wahrgenommen zu werden, verliert früher oder später die Motivation – und mit ihr häufig auch das Vertrauen in die Organisation, der er oder sie dient.

Engagement verkommt zu Selbstverständigkeit

Die Deutsche Justiz-Gewerkschaft Baden-Württemberg (DJG-BW) beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. Immer mehr Kolleginnen und Kollegen berichten von einer Atmosphäre, in der das Engagement der Mitarbeitenden zur Selbstverständlichkeit verkommt, in der Rückmeldungen ausbleiben und in der Wertschätzung eher als Ausnahme denn als gelebte Praxis erlebt wird. Dabei ist die Forschung eindeutig: Wertschätzung wirkt leistungsfördernd, motivationsstiftend und gesundheitspräventiv. Sie ist kein „Nice to have“, sondern eine unverzichtbare Grundlage für eine funktionierende Verwaltung, einen gut arbeitenden Justizbetrieb und letztlich für den Erhalt des Vertrauens in den Staat und seine Institutionen.

Im vorliegenden Artikel wird der Frage nachgegangen, was mangelnde Wertschätzung im Arbeitsumfeld tatsächlich bewirkt. Er beleuchtet wissenschaftliche Erkenntnisse, schildert Erfahrungen aus dem Justizalltag und zeigt auf, wie eine Kultur der Anerkennung gefördert werden kann – nicht als bloße Geste, sondern als strategischer Hebel für Motivation, Gesundheit und Leistungsfähigkeit im öffentlichen Dienst.

Die stille Kraft der Wertschätzung – und was passiert, wenn sie fehlt

Wertschätzung ist ein Begriff, der in vielen Personalentwicklungsstrategien auftaucht, aber im Alltag nur selten mit Leben gefüllt wird. Dabei ist sie von zentraler Bedeutung für das menschliche Miteinander. Sie äußert sich in Worten, Gesten, Verhaltensweisen und Strukturen. Ein freundlicher Gruß, ein ehrliches Dankeschön, ein konstruktives Feedbackgespräch, eine Beteiligung an Entscheidungen oder das ehrliche Interesse an den beruflichen Belastungen der Mitarbeitenden – all dies sind Formen von Wertschätzung. Sie schaffen ein Klima, in dem Menschen sich gesehen und gehört fühlen, in dem sie bereit sind, sich einzubringen, mitzugestalten und Verantwortung zu übernehmen. Fehlt diese Anerkennung hingegen dauerhaft, kann das schwerwiegende Folgen haben. Die ersten Anzeichen sind oft unscheinbar: eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber der Arbeit, das Ausbleiben von Vorschlägen zur Verbesserung von Abläufen, eine wachsende emotionale Distanz zum Team oder zur Führungskraft. Im nächsten Schritt folgen Frustration, Rückzug, Zynismus oder Resignation. In der Organisationspsychologie ist dieses Phänomen seit langem bekannt: Menschen, die sich nicht wertgeschätzt fühlen, neigen zur sogenannten „inneren Kündigung“. Das bedeutet nicht, dass sie ihre Arbeit komplett verweigern – sie tun nur noch das Nötigste. Alles, was über das vertraglich geschuldete Maß hinausgeht, wird eingestellt. Innovationskraft, Engagement und die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung gehen verloren.

Diese Entwicklung ist umso tragischer, weil sie schleichend verläuft – und weil sie Organisationen langfristig lähmt. Führungskräfte, die sich wundern, warum das Team nicht mehr „mitzieht“, warum Ideen ausbleiben, warum Krankmeldungen zunehmen oder warum junge Talente nicht bleiben wollen, übersehen oft, dass der Kern des Problems nicht im Fachlichen, sondern im Zwischenmenschlichen liegt. Eine unzureichende Kultur der Anerkennung kann eine leistungsfähige Verwaltung ebenso unterminieren wie ein veraltetes IT-System oder ein zu knapp bemessener Personalrahmen. Gerade im öffentlichen Dienst ist das Thema besonders sensibel. Viele Beschäftigte entscheiden sich bewusst für diese Laufbahn – aus Überzeugung, aus dem Wunsch heraus, gesellschaftlich relevante Aufgaben zu übernehmen. Diese Motivation ist jedoch keine unerschöpfliche Ressource. Sie muss gepflegt und gestärkt werden, unter anderem durch eine Haltung der Wertschätzung. Bleibt diese aus, entsteht ein Paradox: Menschen, die einst mit Idealismus und Einsatzfreude in den Dienst eintraten, werden durch strukturelle Ignoranz und kommunikative Kälte zu bloßen „Dienstnachvorschrift-Vollziehern“ degradiert.

Dabei ist Wertschätzung keine Frage des Geldes. Auch wenn faire Bezahlung ein wichtiger Faktor für die Zufriedenheit ist, reicht sie allein nicht aus. Wertschätzung zeigt sich vielmehr im täglichen Umgang, in der Kommunikationskultur, in der Einbindung von Mitarbeitenden und in der Haltung der Führungskräfte gegenüber ihrer Verantwortung für das Team. Sie ist Ausdruck einer Kultur, in der der Mensch als Ganzes gesehen wird – nicht nur als Ressource, sondern als tragende Säule einer funktionierenden Verwaltung.

Warum gerade der öffentliche Dienst ein Wertschätzungsproblem hat

Der öffentliche Dienst steht wie kaum ein anderer Arbeitsbereich unter einem ständigen Spannungsverhältnis zwischen gesellschaftlicher Verantwortung, politischer Steuerung und bürokratischer Struktur. Genau in diesem Spannungsfeld entstehen viele der Probleme, die mit mangelnder Wertschätzung zu tun haben. Denn was in Unternehmen durch leistungsorientierte Vergütungssysteme, flache Hierarchien oder individuelle Karriereplanung ausgeglichen werden kann, ist im öffentlichen Dienst oft nicht vorgesehen oder nur eingeschränkt möglich. Dies führt dazu, dass die Leistungen der Mitarbeitenden zwar häufig als selbstverständlich hingenommen, aber nur selten aktiv anerkannt werden. Ein zentrales strukturelles Merkmal des öffentlichen Dienstes ist seine ausgeprägte Regelgebundenheit. In kaum einem anderen Bereich sind Arbeitsprozesse so stark durch Vorschriften, Erlasse und Zuständigkeiten geprägt wie hier. Zwar sorgen diese Regelungen für Verlässlichkeit und Gleichbehandlung, sie erzeugen jedoch auch ein Umfeld, in dem persönliche Initiative, Kreativität und Engagement häufig nicht sichtbar oder gar nicht erwünscht sind. Wenn Leistung nicht erkennbar belohnt oder individuell gewürdigt wird, entsteht bei vielen Mitarbeitenden das Gefühl, austauschbar zu sein. Dies ist ein wesentlicher Nährboden für Demotivation und Frustration.

Hinzu kommt, dass in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes Personalverantwortung und Führungsaufgaben nicht mit einem klaren Verständnis von moderner Mitarbeiterführung verbunden sind. Führungskräfte werden häufig auf Basis dienstlicher Verweildauer oder formaler Qualifikation ernannt – nicht jedoch aufgrund ihrer kommunikativen oder emotionalen Kompetenz. In der Folge erleben viele Beschäftigte ihre Vorgesetzten eher als Kontrollinstanzen denn als fördernde und wertschätzende Begleiter. Insbesondere im mittleren Management, das in Verwaltungen, Gerichten oder Einrichtungen des Justizvollzugs die größte Nähe zu den operativen Abläufen hat, fehlt es oft an Führungskräften, die Rückmeldung geben, Anerkennung ausdrücken oder teamorientiert handeln.

Ein weiteres Problem liegt in der politischen Rahmensetzung. Der öffentliche Dienst wird in der politischen Debatte häufig auf seine Kosten reduziert. Wenn über Einsparpotenziale diskutiert wird, fällt der Blick schnell auf die Verwaltung. Wenn Haushaltsmittel knapp sind, trifft es überproportional oft die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Dieses Klima der pauschalen Kritik und der permanenten Rechtfertigung hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Mitarbeitenden. Wer immer wieder erlebt, dass die eigene Arbeit – sei es in der Justiz, der Verwaltung oder im öffentlichen Sicherheitsdienst – als zu teuer, ineffizient oder überflüssig dargestellt wird, empfindet dies auf Dauer als Kränkung. Die Folgen sind Entfremdung und ein Rückzug ins Private, verbunden mit dem Eindruck, von Politik und Öffentlichkeit nicht nur übersehen, sondern bewusst abgewertet zu werden.

Nicht zuletzt sind es auch die knappen personellen Ressourcen, die die Erfahrung von Wertschätzung untergraben. Wenn Beschäftigte über Jahre hinweg mit steigender Arbeitsbelastung, zunehmender Komplexität und wachsendem Zeitdruck konfrontiert werden, ohne dass dies zu einer personellen Entlastung führt, dann entsteht zwangsläufig das Gefühl, dass das eigene Engagement keinen Unterschied macht. Diese strukturelle Überforderung führt dazu, dass viele Mitarbeitende ihre Arbeit nicht mehr in der Qualität und Gründlichkeit leisten können, die ihrem eigenen Anspruch entspricht. Die daraus resultierende Unzufriedenheit trifft nicht nur die Mitarbeitenden selbst, sondern wirkt sich auch negativ auf das Ansehen des gesamten öffentlichen Dienstes aus. All diese Faktoren führen in ihrer Summe dazu, dass viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst eine Erosion von Anerkennung erleben. Sie fühlen sich nicht als Teil einer gestaltenden Gemeinschaft, sondern als bloßes Rädchen im Getriebe einer Verwaltung, deren höchste Priorität in der Einhaltung formaler Vorgaben zu liegen scheint. Damit geht jedoch das verloren, was öffentliche Institutionen eigentlich stark macht: das persönliche Engagement, die Integrität und das Verantwortungsbewusstsein ihrer Mitarbeitenden. Eine Verwaltung kann noch so gut organisiert sein – ohne eine Kultur der Wertschätzung verliert sie auf Dauer das Vertrauen, die Motivation und die Leistungskraft derer, die sie tragen.

Reinhard Ringwald
Landesvorsitzender DJG-BW

© 2025 Deutsche Justiz-Gewerkschaft Landesverband Baden-Württemberg e. V.

Diese Website benutzt Cookies, um Ihnen das beste Erlebnis zu ermöglichen. Weiterführende Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.