Justizwachtmeister

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PH Donnerstag, 30. Oktober 2025 von PH

JWM: Die stille Front der Justizwachtmeister

Wenn der Rechtsstaat Schutz braucht

Die Justiz gilt als Rückgrat unseres Rechtsstaates. Doch wer sich in den Gerichten des Landes umsieht, erkennt schnell, dass dieses Rückgrat längst Risse bekommen hat – und zwar dort, wo es am sichtbarsten, aber zugleich am wenigsten beachtet ist: bei den Justizwachtmeisterinnen und Justizwachtmeistern. Sie stehen im wörtlichen Sinne an der Frontlinie der Rechtspflege – in Eingangsbereichen, Sitzungssälen, Hafträumen und Transportfahrzeugen.

Sie sorgen für Sicherheit, bevor ein Verfahren überhaupt beginnt und greifen ein, wenn ein Prozess eskaliert, ein Angeklagter die Nerven verliert oder Besucher die Kontrolle. Doch was geschieht, wenn genau diese Menschen fehlen – wenn die Justizwachtmeister aufgeben, krank werden oder keine Nachfolger mehr finden?

Sicherheit mit stumpfen Waffen

Die Sicherheitslage in deutschen Gerichten hat sich in den vergangenen Jahren spürbar verschärft. Immer häufiger kommt es zu Drohungen, Übergriffen und psychischer Gewalt. Was früher als Ausnahme galt, ist heute Alltag. Dennoch bleibt das Schutzkonzept in vielen Justizgebäuden auf einem Stand, der längst nicht mehr ausreicht. Ein Pfefferspray und ein Schlagstock mögen symbolisch wirken, sind aber kein Ersatz für ein ganzheitliches Sicherheitsverständnis. Sicherheit entsteht nicht durch Abwehr, sondern durch Vorbereitung, technische Ausstattung, Kommunikation und Präsenz. Die Justiz muss über neue Konzepte nachdenken – nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Notwendigkeit. Die Welt wandelt sich und mit ihr auch die Bedrohungslage innerhalb öffentlicher Einrichtungen.

Zwischen Belastung und Berufung - Neue Wege der Sicherheit

Hinter den Türen der Gerichtssäle arbeiten Menschen, die seit Jahren an der Grenze ihrer Belastbarkeit stehen. Zunehmende Aufgaben, zu wenig Personal und ständige Alarmbereitschaft führen zu körperlicher wie psychischer Erschöpfung. Viele Justizwachtmeisterinnen und Justizwachtmeister fühlen sich isoliert, nicht ausreichend unterstützt und in ihrer Rolle unterschätzt. Sicherheit muss als präventive, nicht als reaktive Aufgabe verstanden werden. Dazu gehören moderne technische Lösungen wie Kamera- und Alarmsysteme ebenso wie regelmäßige Notfall- und Deeskalationstrainings, psychologische Betreuung nach Vorfällen und eine Personalplanung, die Sicherheit überhaupt erst ermöglicht. Nur wer ausreichend besetzt ist und über die nötige Ausbildung verfügt, kann in kritischen Situationen besonnen handeln. Sicherheit entsteht aus Stärke, nicht aus Überforderung. Es reicht nicht alleine, Abwehrmittel bereitzuhalten – entscheidend ist ein strukturelles Konzept, das Prävention, Schutz und Gesundheit vereint.

In den kommenden Wochen wird die DJG Baden-Württemberg eine landesweite Umfrage unter den Justizwachtmeisterinnen und Justizwachtmeistern starten. Sie soll ein realistisches Bild der Situation liefern: Wie erleben sie ihren Berufsalltag? Wo bestehen Sicherheitsdefizite? Welche Maßnahmen könnten helfen, den Beruf wieder attraktiver und sicherer zu machen? Die bisherigen Umfragen in anderen Fachbereichen haben gezeigt, dass die Probleme real und tief verankert sind. Die Ergebnisse bei den Gerichtsvollziehern und Tarifbeschäftigten waren aufschlussreich und zugleich erschreckend. Nun ist es an der Zeit, dass auch die Wachtmeisterinnen und Wachtmeister eine Stimme erhalten – offen, ehrlich und ohne Filter.

Ohne Sicherheit keine Justiz

Die entscheidende Frage ist ebenso einfach wie unbequem: Wie soll ein Rechtsstaat Recht durchsetzen, wenn er seine eigenen Schutzorgane im Stich lässt? Wachtmeisterinnen und Wachtmeister sind keine Randfiguren des Justizbetriebs. Ohne sie gibt es keinen sicheren Verhandlungssaal, keine geordnete Vorführung und keinen Schutz der Verfahrensbeteiligten. Fällt diese Berufsgruppe aus, bricht nicht nur der Dienstbetrieb zusammen – es erschüttert das Vertrauen in die gesamte Justiz.

Die Gesellschaft hat sich verändert, Aggression und Respektlosigkeit nehmen zu. Wer glaubt, die Justiz sei davon ausgenommen, irrt. Sicherheit in der Justiz darf kein Randthema bleiben, sondern ist die Voraussetzung dafür, dass Gerechtigkeit überhaupt stattfinden kann.

Ein Appell an Verantwortung und Vernunft

Eine Justiz, die auf Sicherheit verzichtet, verzichtet auf Verlässlichkeit. Wenn diejenigen, die täglich für Ordnung, Schutz und Stabilität sorgen, an ihre Grenzen geraten, betrifft das nicht nur sie selbst, sondern das gesamte System. Sicherheit in der Justiz ist kein Thema für interne Debatten, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie berührt die Glaubwürdigkeit des Staates und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in seine Handlungsfähigkeit.
Deshalb braucht es jetzt Entscheidungen, nicht Absichtserklärungen. Es braucht ein Umdenken in Politik und Verwaltung, damit die Menschen, die unsere Gerichte schützen, selbst Schutz erfahren. Denn nur, wenn der Staat seine Hüter stärkt, bleibt auch sein Fundament stark.

Von Dr. Pierre Holzwarth, Landesvorsitzender der Deutschen Justiz-Gewerkschaft Landesverband Baden-Württemberg e. V.

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