Freiwillig

Freiwillig länger arbeiten – will, kann oder muss?

27.02.2018 - Verantwortliche Ressortchefs in den unterschiedlichsten Ministerien im Land und Mitglieder der Landesregierung freuen sich. Sie freuen sich, weil immer mehr Landesbeamte freiwillig länger arbeiten. In diesem Bericht will ich Ihnen meine Gedanken dazu schreiben, was ich von dieser Freiwilligkeit halte und vom länger Arbeiten sowieso.

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Zunächst zur Freiwilligkeit. An und für sich arbeitet ein Mensch nur dann freiwillig über die erreichte Pensionsaltergrenze hinaus, wenn ihm das Weiterarbeiten Spass bereitet, es ihm einen Vorteil bringt, es ihm einen Nutzen stiftet oder er damit jemandem eine Freude bereiten kann. Dann rede ich persönlich davon, dass jemand das freiwillig „will“.

„Muss“ jemand freiwillig weiterarbeiten, ist das an und für sich ein Widerspruch. Von freiwillig kann keine Rede sein. In diesem Fall sind es „äußere“ Einflüsse, die jemanden zur Weiterarbeit drängen. In aller Regel ist die Pension zu gering. Zu gering, um einen angemessenen Lebensabend zu verbringen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Besoldung niedriger als die Grundsicherung

Ich meine in diesem Fall konkret die Beamtinnen und Beamten des mittleren Dienstes in den Besoldungsstufen A 5, A 6 und A 7. Gerade im Justizwachtmeisterdienst werden diese Kolleginnen und Kollegen im „Niedriglohnsegment“ alimentiert, obwohl sie gegebenenfalls mit ihrem Leben die Gefahr von anderen abwenden und deren Leben beschützen sollen. Deren Einkommen ist auf jeden Fall in Ballungsgebieten unweit der Höhe einer Grundsicherung. Also staatlicher Leistungen die jemand erhalten kann, der nicht arbeitet. Das heißt, eine Beamtin oder ein Beamter im mittleren Dienst arbeitet mindestens 41 Wochenstunden und stellt am nächsten Monatsersten fest, dass er gerade mal die „Grundsicherung“ verdient hat.

Widerspruch

Ich frage mich, wie man einerseits Arbeitnehmer dazu animieren will, freiwillig länger zu arbeiten, wenn man andererseits den über 55jährigen zu verstehen gibt, dass sie aufgrund ihres Alters auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar seien. Das trifft zwar eher auf den Arbeitsmarkt in der freien Wirtschaft zu – doch sind im öffentlichen Dienst immer wieder Stimmen zu hören, dass man ab dem genannten Alter nicht mehr so leistungsfähig sei.

Wie ist es zu bewerten, wenn ältere Arbeitnehmer freiwillig länger arbeiten sollen und damit Stellen für die jungen Berufseinsteiger besetzen? Ich rechne nicht damit, dass unsere Landesregierung im Rahmen des „freiwillig länger Arbeitens“ proportional zusätzliche Stellen für den so dringenden Nachwuchs zur Verfügung stellt.

Anreize schaffen

Gerade in den eingangs genannten unteren Besoldungsstufen müssen meines Erachtens besondere Anreize geschaffen werden, will man die Beamtinnen und Beamten für eine freiwillige Weiterarbeit nach Erreichen der Pensionsaltersgrenze gewinnen. Aus Reihen von Landespolitikern hört man, dass der (!) Hauptgrund für das freiwillige Weiterarbeiten die wertvolle Erfahrung der betreffenden Mitarbeiter ist. Auf dieses geistige Kapital will man in Anbetracht eines leer gefegten Arbeitsmarktes nicht verzichten. Interessant ist dabei, dass im Rahmen der Grundbuchamts- und Notariatsreform das wertvolle Wissen von ehemaligen Beschlussfertigern oder Sachbearbeitern des einstigen Nachlassgerichts (bei den Amtsnotariaten) einfach über Bord geschmissen wurde. Dieses geistige Kapital ist heute schon so wertvoll wie morgen.
Überlegenswert wäre, das freiwillige Weiterarbeiten mit Steuervorteilen, höheren Urlaubsansprüchen oder geringeren Wochenstunden bei voller Alimentierung zu fördern.
Ein besonderer Anreiz könnte sein, die weiteren, freiwilligen Dienstjahre mit höheren Pensionsansprüchen zu „versüßen“. Und zwar in dem Verhältnis, wie die Pension gekürzt würde, wenn man ein bis fünf Jahre vor der Pensionsaltersgrenze in Ruhestand gehen wollte.

Rahmenbedingungen müssen stimmen

Was würde mich dazu bewegen können, freiwillig länger als notwendig zu arbeiten?

Da fallen mir ad hoc die Themen Arbeitsumgebung, Arbeitsmenge, Mehrarbeitsstunden, Kollegialität und Wertschätzung ein.

Wenn ich lediglich als älterer Beamter gesehen werde, der doch lieber in Ruhestand gehen sollte, eh nicht mehr leistungsfähig ist, den jungen Beamten die Stelle wegnimmt, das tägliche Arbeitspensum nicht schafft, sich nicht von der Hektik anstecken lässt und, wie der Afrikaner sagt „pole – pole“ eher gelassen an die Arbeit geht, eine Beförderungsstelle im Endamt besetzt, vielleicht nicht mehr so gut hört oder sich aufgrund einer verschlissenen Hüfte langsamer bewegen muss… dann liebe Kolleginnen und Kollegen gehe ich so früh wie möglich in den Ruhestand und… genieße das restliche Leben.

Nicht Mittel zum Zweck

Damit ältere Menschen freiwillig länger im Arbeitsleben verbleiben, muss in unserer Gesellschaft auch unbedingt ein Umdenken erfolgen. Die älteren Menschen, unsere Eltern, unsere Onkels und Tanten, unsere Bekannten und schließlich wir selbst, wollen mit Respekt und ehrlicher Wertschätzung behandelt werden. Wir wollen im Alter für unseren Arbeitgeber und unsere Kolleginnen und Kollegen nicht Mittel zum Zweck sein.

Reinhard Ringwald
Landesvorsitzender DJG-BW

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